Dieser Fokus ist der logische und wichtigste Schritt: Die Umwandlung von Test-Erkenntnissen in konkrete Budgetentscheidungen. Nur so wird aus iROAS-Messung eine strategische Unternehmenssteuerung.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Von der Messung zur strategischen Allokation
- Die Wahrheit über Kanäle: iROAS vs. Attributierter ROAS
- Search (Lower Funnel)
- Social & Display (Upper/Mid Funnel)
- Die strategische Anwendung der iROAS-Ergebnisse
- Fokus auf Marginale Inkrementalität
- Identifizierung von Sättigungspunkten
- Der Königsdisziplin: Marketing Mix Modeling (MMM)
- Was MMM und Inkrementalität verbindet
- Synergien und optimale Allokation
- Der neue Budget-Prozess: Vier Schritte zur iROAS-Steuerung
- Fazit: Wachstum durch echte Effizienz
1. Einführung: Von der Messung zur strategischen Allokation
In den vorherigen Beiträgen haben wir die Schwächen der Last-Click-Steuerung beleuchtet und gezeigt, wie Inkrementalitätstests den inkrementellen Return on Ad Spend (iROAS) als wahre Kennzahl etablieren. Aber das Wissen um den iROAS eines Kanals allein ist nur der halbe Weg. Die eigentliche Revolution beginnt, wenn wir diese kausalen Erkenntnisse nutzen, um die Budgetverteilung zwischen den Kanälen (Search, Social, Display, etc.) fundamental neu zu denken.
Das Ziel ist die marginale Budgetallokation: Jeden zusätzlichen Euro in den Kanal zu investieren, der aktuell den höchsten inkrementellen Zusatzumsatz verspricht.
2. Die Wahrheit über Kanäle: iROAS vs. Attributierter ROAS
Inkrementalitätstests decken fast immer eine systematische Verzerrung in der traditionellen ROAS-Messung auf. Diese Verzerrung führt zu chronischer Über- oder Unterfinanzierung von Kanälen.
Search (Lower Funnel)
| Kennzahl | Typische Beobachtung | Strategische Konsequenz (iROAS-Steuerung) |
| Attributierter ROAS | Sehr hoch (z.B. 8:1 bis 15:1) | Wird oft überfinanziert. |
| iROAS (tatsächlicher Lift) | Oft deutlich niedriger (z.B. 3:1) | Kernproblem: Hohe Kannibalisierung des Basisumsatzes, besonders bei Brand Search und hochvolumigen Generic Keywords. Viele Klicks wären ohnehin über Direkt-Traffic oder SEO erfolgt. |
| Budget-Empfehlung | Budgets sollten so lange optimiert werden, bis der iROAS dem Ziel-iROAS entspricht – selbst wenn der attributierte ROAS dadurch sinkt. |
Social & Display (Upper/Mid Funnel)
| Kennzahl | Typische Beobachtung | Strategische Konsequenz (iROAS-Steuerung) |
| Attributierter ROAS | Moderat bis niedrig (z.B. 1:1 bis 3:1) | Wird oft als „schlechte Performance“ eingestuft und unterfinanziert. |
| iROAS (tatsächlicher Lift) | Überraschend hoch (z.B. 4:1) | Kernvorteil: Diese Kanäle generieren echte Nachfrage, die ohne die Kampagne nicht existiert hätte, auch wenn die Attribution den Conversion-Kredit später einem Search-Kanal zuschreibt. Der iROAS korrigiert die Unterbewertung. |
| Budget-Empfehlung | Budgets müssen aufgestockt werden, um das volle inkrementelle Potenzial zur Nachfragegenerierung auszuschöpfen, bis Sättigung eintritt. |
3. Die strategische Anwendung der iROAS-Ergebnisse
Der iROAS ist nicht nur eine Kennzahl; er ist ein Kompass für zwei entscheidende strategische Budgetfragen.
Fokus auf Marginale Inkrementalität
Der marginale iROAS beschreibt den inkrementellen Umsatz, der durch den nächsten zusätzlichen Euro an Werbeausgaben erzielt wird. Dies ist die effizienteste Kennzahl für die Budgetallokation.
Regel der marginalen Allokation:
Investieren Sie das Budget in den Kanal, der aktuell den höchsten marginalen iROAS aufweist, bis der marginale iROAS aller Kanäle gleich ist.
- Szenario: Ihr Geo-Split-Test zeigt, dass der zusätzliche Euro auf Display einen inkrementellen Umsatz von 4,00 € generiert, während der zusätzliche Euro auf Search nur noch 2,50 € generiert (weil der Kanal bereits gesättigt ist).
- Aktion: Sie müssen Budget von Search zu Display umschichten. Selbst wenn der attributierte ROAS von Search hoch bleibt, wächst Ihr Unternehmen schneller und effizienter, indem Sie in den Channel mit dem höheren marginalen iROAS investieren.
Identifizierung von Sättigungspunkten
Jeder Marketingkanal folgt dem Gesetz des abnehmenden Grenznutzens. Irgendwann erfordert die Generierung des nächsten inkrementellen Umsatzes exponentiell höhere Ausgaben.
Inkrementalitätstests (insbesondere über verschiedene Intensitäts-Level) identifizieren den Sättigungspunkt, an dem der iROAS beginnt, stark abzufallen.
- Praxisbeispiel:
- Display-Kampagne: Bei 50.000 € Budget lag der iROAS bei 4:1. Bei 70.000 € Budget fällt er auf 2:1.
- Aktion: Der Sättigungspunkt liegt zwischen 50.000 € und 70.000 €. Alles über dem optimalen Level ist eine ineffiziente Ausgabe, die sofort in einen Kanal mit höherem marginalen iROAS (z.B. Social) umgeschichtet werden muss.
4. Der Königsdisziplin: Marketing Mix Modeling (MMM)
Während Inkrementalitätstests Momentaufnahmen liefern, benötigen Sie für die kontinuierliche, ganzheitliche Budgetsteuerung über Quartale und Jahre hinweg ein höheres analytisches Werkzeug: das Marketing Mix Modeling (MMM).
Was MMM und Inkrementalität verbindet
MMM ist eine statistische Methode, die historische Daten (Werbeausgaben, Umsatz, externe Faktoren wie Saisonalität oder Wetter) verwendet, um den inkrementellen Beitrag jedes einzelnen Kanals zu prognostizieren und zu optimieren.
- Synergie: Inkrementalitätstests dienen als Kalibrierung für das MMM. Die kausalen Ergebnisse der Geo-Tests beweisen dem Modell, dass der Beitrag von Social tatsächlich so hoch ist, wie es das Modell geschätzt hat. Dies macht das MMM deutlich robuster und genauer.
- Ganzheitliche Sicht: Nur das MMM kann die Synergie-Effekte zwischen Kanälen quantifizieren (z.B. „1€ in TV erhöht den iROAS von Search um 15 %“). Diese Synergien sind entscheidend für die optimale Budgetallokation über den gesamten Marketing-Mix (inkl. Offline-Kanälen).
5. Der neue Budget-Prozess: Vier Schritte zur iROAS-Steuerung
Die Umstellung auf iROAS-Steuerung erfordert die Integration der Erkenntnisse in einen neuen, datengestützten Entscheidungsprozess:
- Strategische Testplanung: Definiert, welche strategischen Fragen (z.B. „Wie viel ist unser Branding-Kanal wirklich wert?“) durch Geo-Tests beantwortet werden müssen. Planung von $\text{iROAS}_{\text{Ziel}}$.
- Durchführung & Validierung: Ausführen der Inkrementalitätstests und Kalibrierung des MMM. Die Ergebnisse liefern den iROAS und den Sättigungspunkt pro Kanal.
- Marginale Allokation: Das Controlling und Marketing optimieren das Budget nicht mehr nach dem höchsten attributierten ROAS, sondern nach dem höchsten marginalen iROAS (ggf. unterstützt durch das MMM), um den Gesamtumsatz zu maximieren.
- Kontinuierliche Optimierung: Regelmäßiges Re-Testing der Kanäle und des Creative-Lifts, da sich die inkrementelle Effizienz im Laufe der Zeit ändert (neue Wettbewerber, neue Creatives, neue Zielgruppen).
6. Fazit: Wachstum durch echte Effizienz
Die Ära des reinen ROAS ist vorbei. Die Steuerung nach inkrementellem Zusatzumsatz ist der Übergang von der historischen Attributions-Buchhaltung zur vorausschauenden Wachstums-Ökonomie.
Durch die konsequente Nutzung von iROAS-Erkenntnissen und deren Integration in ein holistisches System wie das Marketing Mix Modeling stellen Sie sicher, dass Ihr Marketingbudget dort eingesetzt wird, wo es den größten kausalen Mehrwert für Ihr Unternehmen schafft – und nicht nur bereits existierende Umsätze feiert.